Auch die Schweiz sieht sich zunehmend mit langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel, geopolitischen Umwälzungen sowie wiederkehrenden kurzfristigen Krisen konfrontiert. Angesichts der Komplexität und multiplen Szenarien stossen bisherige Top-Down-Ansätze der Prävention sowie der etablierten Krisenplanung an ihre Grenzen. Daher gilt es, die gesellschaftliche Resilienz zu stärken und dabei auch die Bevölkerung gezielt miteinzubinden. Die Resilienztage des Risiko-Dialogs wollen darauf hinweisen und ausgewählte Aspekte aufgreifen sowie gemeinsam thematisieren. In diesem Blogbeitrag geht es um die Frage, wodurch sich gesellschaftliche Resilienz auszeichnet und wie diese gestärkt werden kann. Unbestritten ist dabei, dass Resilienz ein Zukunftsthema ist, das gekommen ist, um zu bleiben.
Worum geht es?
Gesellschaftliche Resilienz ist aus unserer Sicht nicht nur eine Reaktion auf und Vorsorge für Krisen, sondern langfristig auch die Fähigkeit einer Gemeinschaft, sich anzupassen, zu lernen und widerstandsfähiger zu werden. Damit spielt gesellschaftliche Resilienz eine zentrale Rolle dabei, um als Gesellschaft gewünschte Ziele oder Visionen – beispielweise im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele – zu erreichen. Denn sie fördert die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Szenarien oder eben Abweichungen und Störungen (a) umzugehen und den eingeschlagenen, langfristigen Weg trotz Herausforderungen beizubehalten (b).
Abbildung 1: Konzept der gesellschaftlichen Resilienz (Abbildung Risiko-Dialog).
Die obige Abbildung illustriert dieses umfassende Verständnis der gesellschaftlichen Resilienz. Eine resiliente Gesellschaft muss demnach:
- a) Kurzfristige Herausforderungen bewältigen können (reaktive Resilienz) – etwa Pandemien, die Auswirkungen der Digitalisierung oder Extremwetterereignisse, und dabei Stabilität bewahren.
- b) Langfristig lernen, Wissen generieren und sich gemeinsam an veränderte Rahmenbedingungen anpassen können (transformative Resilienz). Dies geschieht durch kontinuierliche Wissensgenerierung und die Entwicklung neuer Fähigkeiten, um transformative Ziele wie wirksame Klimaadaption, soziale Innovationen oder die Stärkung demokratischer Prozesse zu erreichen.
Die gesellschaftliche Resilienz baut dabei auf zugrundeliegenden Elementen auf, wie:
- Werte & Normen: bspw. Gleichheit, Eigentumsrechte, Verlangen nach Mitbestimmung.
- Artefakte: bspw. funktionierendes Medien- und Bildungssystem, direkte Demokratie.
- Kapazitäten: bspw. gedeckte Grundbedürfnisse, kritisches Denken, informierte Entscheidungen.
Ebenen der gesellschaftlichen Resilienz
Abbildung 2: Ebenen der gesellschaftlichen Resilienz (Abbildung Risiko-Dialog).
Die obige Abbildung zeigt, dass gesellschaftliche Resilienz auf drei miteinander verknüpften Ebenen basiert, die sich wechselseitig beeinflussen. Dieser systemische Blick hat sich in den letzten Jahren breit etabliert:
- Individuelle Resilienz: Was prägt die individuelle Resilienz und wie stützt sie bspw. soziale Fähigkeiten?
- Community Resilienz: Was kann gemeinsam bspw. in der Nachbarschaft erreicht werden?
- Institutionelle und systemische Resilienz: Welche Phänomene sind gesamtgesellschaftlich relevant und wie können Systeme wie der Staat Resilienz fördern?
Im Grundsatz geht es bei der gesellschaftlichen Resilienz um Fähigkeiten, sich aktiv mit Krisen auseinanderzusetzen, agil reaktiv zu handeln und sich transformativ weiterzuentwickeln. Dazu sind soziale, ökonomische sowie weitere Ressourcen auf allen Ebenen zentral. Die folgende Tabelle führt dies anhand einiger erster Beispiele aus.
Tabelle 1: Beispiele der gesellschaftlichen Resilienz (Risiko-Dialog).
Wie lässt sich gesellschaftliche Resilienz über alle Ebenen hinweg stärken?
Um Resilienzfähigkeiten zu steigern, sind ganz verschiedene Ansatzpunkte denkbar. Sie reichen von der Eigenverantwortung des Einzelnen bis zur Kooperation unterschiedlicher Akteur:innen und Institutionen – dies wird im nächsten Blogbeitrag genauer beleuchtet.
Im Sinne der Wirkungsorientierung entwickelt sich langsam eine erste Differenzierung und Priorisierung. So ist davon auszugehen, dass sich die Massnahmen in drei Felder einteilen lassen:
- Grundlagen schaffen: Neben der Entwicklung von Konzepten geht es um gemeinsam getragene Programmen und Plattformen, um eine nachhaltige Resilienzkultur auf allen Ebenen der gesellschaftlichen Resilienz zu etablieren.
- Die Resilienz ist konkret zu gestalten, um bspw. Best-Practice-Beispiele zu entwickeln (bspw. wie sich Menschen in Situationen des Wandels verhalten sollen) und v.a. die Kooperation zwischen staatlichem Handeln (top-down) und Bevölkerungshandeln verbunden werden kann (bottom-up). Ein Element ist bspw. die Integration der Bottom-Up-Ansätze in das staatliche Krisenmanagement.
- Sollen jedoch die konkreten Fähigkeiten gestärkt werden. Diese können bei einzelnen Menschen, aber auch bei der zentralen Ebene der Community ansetzen. Hier gilt es, die Bedürfnisse und Vorerfahrungen verschiedenster Zielgruppen zu berücksichtigten und das vorhandene Potenzial zu nutzen.
Viele Grundlagen sind gelegt. Nun geht es darum, diese in konkrete Fördermassnahmen umzusetzen. Dazu passend ist ein prototypischer Ansatz wie mit den Resilienz-Wochen oder Konzepten zu «Local Heroes», in dem Massnahmen getestet werden, ob und wie sie bei den entsprechenden Zielgruppen wirken. Danach kann eine Skalierung erfolgen. Klar ist, dass einmalige Aktionen wenig bringen, sondern dass eine langfristige Resilienzkultur und Ressourcen dahinterstehen müssen.
Ausblick
Risiko-Dialog versucht, auf all diesen Ebenen der Resilienz Beiträge zu leisten. Eine Übersicht aktueller Initiativen befindet sich auf unserer Website. Wir freuen uns auf Partnerschaften in allen Bereichen, da es noch sehr viel zu tun gibt und Resilienz immer auf Kommunikation und Kooperation aufbauen muss. Im Rahmen der Resilienztage von Risiko-Dialog folgen weitere Blogbeiträge und ein Webinar – insbesondere zur Frage, wer sich wie mit gesellschaftlicher Resilienz beschäftigt.