Risikokompetenz der Gesellschaft stärken – Die Stiftung Risiko-Dialog wurde vor 25 Jahren im Zeichen von Grossunfällen wie Tschernobyl und Schweizerhalle gegründet. Vieles hat sich seither in der Risikowelt ver-ändert. Geblieben ist das Ziel, einen Beitrag zur Risiko-kompetenz der Gesellschaft zu leisten.
Als gemeinnützige und neutrale Plattform hilft unsere Stiftung, Chancen und Gefahren wissensbasiert und interdisziplinär abzuwägen, um gemeinsam Lösungen im Umgang mit Risikothemen zu finden. Sei es im Zusammenhang mit neuen Technologien, gesellschaftlichen Veränderungen oder konkreten Projekten. Das Ziel sind robuste gesellschaftliche Entscheidungen unter Unsicherheit.
25 Jahre am Puls der aktuellen Risikothemen
Die Inhalte der durch uns begleiteten Risikodebatten haben sich während der letzten 25 Jahre fortlaufend verändert: von Kernenergiedebatten bis zur Energiewende mit Verbindung zum Klimawandel, über Mobilfunkstrahlung, Nano-, Bio-, Gentechnik bis zu Katastrophen und Krisen wie Naturgefahren und Finanzrisiken. Dabei zeigen gerade die Themenfelder ICT und Infrastrukturen prototypisch auf, wie rasant sich die Schwerpunkte verändern können – von Pervasive Computing, über Privacy zur möglichen Konvergenz mit anderen Infrastrukturen wie Strom, die selber wiederum mit Gas und Wasser zusammenwachsen. Systemische Risiken sind heute omnipräsent.
Die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft lassen sich aber nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf einer prozessorientierten Ebene feststellen. In den Anfangsjahren befasste sich die Stiftung stark mit Grundlagefragen im Umgang mit Chancen und Gefahren von Technologien. Schon damals liess sich aus Quervergleichen zwischen den Themenfeldern viel lernen. Aktuell arbeiten wir vermehrt an konkreten Anwendungen und Projekten. Die Breite der Fragestellungen, der Konsequenzen und Wechselwirkungen nimmt dabei tendenziell zu. So moderieren wir aktuell beispielsweise Bürgerdialoge zu Energieinfrastrukturprojekten, die im öffentlichen Diskurs stehen. Dieser Wandel spiegelt einen allgemeinen Trend: Weg von einer «Gesellschaftslenkung» durch Experten, Stakeholdervertreter und andere Entscheidungsträger, hin zu einer Öffentlichkeit, die mit gestärkter Eigenkompetenz im Entscheidungsprozess eingebunden wird.
Zukunft – Flexibel und kompetent
Um ihre Ziele zu erreichen, muss die Stiftung Risikothemen frühzeitig aufgreifen. Damit ist es möglich, breit tragfähige Lösungen zu entwickeln und deren Akzeptabilität (nicht gleichzusetzen mit Akzeptanz) zu erhöhen. Dabei gilt es weder zu früh noch zu spät zu sein. Wenn schon alles reguliert ist, bleibt kein Raum für Gestaltung. Wenn aber noch gar keine öffentliche Debatte stattfindet, ist es schwierig, ausreichendes Interesse zu wecken. Dieses klassische Partizipationsdilemma stellt auch für uns eine Herausforderung dar. Um Themen und Trends zu entdecken, bleibt ein weit gefächertes und fundiertes Netzwerk zentral. Dazu zählt auch unser Stiftungsrat, der in den letzten Jahren verbreitert wurde.
Resilienz als Vorbereitung auf das Unerwartete
Risikokompetenz heisst, in einer vernetzten Welt auch mit unerwarteten Ereignissen und ihren Folgen leben zu lernen. Für die Stiftung Risiko-Dialog wird deshalb auch in Zukunft das Verhalten von Menschen relevant bleiben. Dabei können wir mit unserem gesamtgesellschaftlichen Blick auch vermehrt innerbetriebliche Themen, wie Entscheidungen unter Unsicherheit respektive Perspektivenvielfalt unterstützen. Die Frage der Sicherheitskultur gilt es als Gesellschaft (wieviel Sicherheit wollen wir?) und innerhalb von Organisationen (zum Beispiel bei der Arbeitssicherheit) zu beantworten.
Möglicherweise wird in Zukunft weniger die Darstellung einzelner Chancen oder Gefahren, sondern deren Tragfähigkeit aus gesellschaftlicher Sicht im Zentrum stehen. Resilienzkonzepte fragen weniger nach Wahrscheinlichkeit und Ausmass, sondern ob eine Gesellschaft mit den Folgen umgehen kann. Auch dabei bleiben Fragen der Wahrnehmung, Kommunikation, Bewertung und damit der Risikokompetenz zentral. Die Vision einer risikokompetenten Gesellschaft der Stiftung Risiko-Dialog bleibt also auch für die nächsten 25 Jahre relevant.
Matthias Holenstein, Geschäftsführung Stiftung Risiko-Dialog