Gesellschaftliche Resilienz braucht stabile, unterstützende Strukturen für alle – dazu gehören auch Jugendliche. Wie können also junge Menschen sowohl im Alltag als auch in herausfordernden Zeiten gestärkt werden – und welche Rolle spielt die Offene Jugendarbeit dabei? Wir sprachen mit Natalie Bühler, Co-Geschäftsleiterin Soziokultur / Öffentlichkeitsarbeit bei der Offenen Jugendarbeit (OJA), über diese Frage.
Welche Rolle spielt die Offene Jugendarbeit deiner Meinung nach für die Stärkung gesellschaftlicher Resilienz?
Die Offene Jugendarbeit setzt in ihrer Arbeit den Fokus auf die Ressourcen der Jugendlichen. Die Arbeit richtet sich nach den Bedürfnissen, Ideen und Anliegen der Zielgruppe. Ein wichtiges Ziel ist es, die Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern und Jugendlichen Räume anzubieten, in denen sie gehört werden, sich entwickeln können und neue Ressourcen bei sich entdecken. Die Partizipation steht im Zentrum der Arbeit; Jugendliche sollen ihre Selbstwirksamkeit erleben und spüren. Durch diese Arbeitsweise gehen Jugendliche gestärkter hervor, sie trauen sich mehr zu, sich zu beteiligen und ihre Anliegen zu äussern. Sie erleben sich als Teil der Gesellschaft und als Teil verschiedener Peergruppen. Jugendliche spielen eine sehr wichtige Rolle in vielen Systemen, diese wird aber häufig vergessen: Sie helfen den Eltern, wenn diese an ihre Grenzen kommen (z. B. beim Übersetzen, im Haushalt oder mit kleineren Geschwistern). Wenn diese Gruppe resilienter ist, trägt das auch zur allgemeinen Resilienz bei.
Wie verändert sich deine Arbeit mit Jugendlichen, wenn gesellschaftliche Krisen (z. B. Pandemie, Klimakrise, politische Spannungen) verstärkt spürbar werden?
Junge Menschen kriegen so vieles mit und brauchen in schwierigen Zeiten viel Zuspruch und Erwachsene, mit denen sie reflektieren können, was sie aufgeschnappt haben. Wenn gesellschaftliche Krisen spürbar sind, werden die Gespräche intensiver – sie brauchen die Jugendarbeiter:innen als Sparringpartner:innen für ihre Meinungsbildung, um Dinge einordnen zu können. Sie bringen oft extreme oder konträre Haltungen und Aussagen mit, um unsere Reaktionen darauf zu testen – und um die Fragen zu stellen, die sie anderswo nicht stellen können. Gleichzeitig ist es auch enorm wichtig, dass wir die «Normalität» weiterführen. Junge Menschen sollen auch Spass haben dürfen und tolle, unbelastete Erlebnisse machen.
Was würdest du dir von Politik oder Gesellschaft wünschen, um Resilienz bei Jugendlichen besser fördern zu können?
Es braucht mehr Fokus auf die Ressourcen von Jugendlichen. Im Moment liegt sehr viel Fokus darauf, was nicht gut läuft. Sie brauchen mehr Möglichkeiten, in denen sie spüren, dass sie wichtig sind, dass ihre Meinungen zählen und dass sie etwas bewirken können. Ein gutes Beispiel ist das Projekt «Euses Züri», das als Pilot in der Stadt Zürich durchgeführt wird. Hier können junge Menschen unter anderem an einer jährlichen Jugendkonferenz ihre Anliegen für die Stadt an den Gemeinderat in Form von Jugendvorstössen einbringen.
Gibt es etwas, das dir Mut macht, wenn du an die Zukunft junger Menschen denkst – insbesondere angesichts der aktuellen Situation und Krisen?
Junge Menschen bringen viel Energie und Mut mit. Sie probieren Neues aus, ohne zu zögern. Es gehört zu dieser Altersphase, dass sie die Gesellschaft in Frage stellen – damit sich diese auch verändern kann. Sie bringen sehr viele Ressourcen mit sowie auch andere Denkweisen. Das Gespräch mit Natalie Bühler zeigt eindrücklich, welchen wichtigen Beitrag die Jugendarbeit – in Kombination mit weiteren staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteur:innen – zur Stärkung gesellschaftlicher Resilienz leistet. Dort, wo Jugendliche sich ernst genommen fühlen, mitreden und mitgestalten können, wächst Vertrauen – in sich selbst und in die Gesellschaft. Gerade in Krisenzeiten brauchen junge Menschen Orte, an denen sie Orientierung finden, sich ausprobieren dürfen und erleben, dass ihre Stimme zählt. Die Offene Jugendarbeit bietet genau solche Räume – und ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil einer resilienten und zukunftsfähigen Gesellschaft.
Herzlichen Dank an Natalie Bühler für die spannenden Einblicke in diese wichtige Arbeit!