Die Covid-19 Pandemie und vor allem die Folgen für die Gesellschaft werden uns noch lange beschäftigen. Gerade deshalb ist die gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit der Krise hoch relevant. Der gesunde und respektvolle Dialog und die für die Schweiz übliche Kompromissfindung scheinen dabei zu leiden. Wir beobachten diese Entwicklung schon seit längerem und sind dabei nicht alleine. Dies zeigen auch zahlreiche Artikel und Beiträge, zum Beispiel in namhaften Tageszeitungen und Publikationen.
Am 4. November 2021 organisierte die Stiftung Risiko-Dialog zusammen mit der Fachstelle Dialog und Partizipation deshalb ein Online-Seminar, um die fortschreitende Polarisierung unserer Gesellschaft zu thematisieren. Der Fokus lag dabei auf Lösungsansätzen und Wegen aus der Polarisierung. Nach einer Einleitung von Prof. Dr. em. Ueli Mäder und Dr. Cordula Reimann entstand eine lebhafte Diskussion mit allen Teilnehmenden. Dabei wurde klar, dass noch viele grundsätzliche Fragen ungeklärt sind: Wie stark sind die Debatten bereits polarisiert? Welche Gräben bestehen zwischen den Gruppen, die sich für oder gegen Massnahmen aussprechen und einsetzen? Woher kommen diese Differenzen und wie gehen wir damit um?
Am nächsten Sonntag werden wir erste Antworten erhalten, wie gespalten die Schweiz tatsächlich ist. Bis dahin möchten wir Ihnen die im Online-Seminar entwickelten Thesen als Anregung mitgeben. Diese sollen dazu beitragen, dem Thema der möglichen Polarisierung mehr differenzierte Sichtbarkeit zu geben und die Diskussion auch mittel- und langfristig weiterzuführen:
- Die Pandemie ist nicht die alleinige Ursache der Polarisierung, sondern ein Katalysator
Durch die aktuelle Pandemielage und die allgemeine Betroffenheit aller Menschen und Gruppen werden bestehende Differenzen gestärkt. Zum einen werden wegen der polarisierten Diskussion getroffene Schutzmassnahmen nur von einem Teil der Bevölkerung akzeptiert, zum anderen fühlen sich andere Gruppen nicht gehört. Es ist daher wichtig herauszufinden, welche Spaltungen dieser Polarisierung zugrunde liegen und zusätzlich durch die Pandemie verstärkt werden.
- Heterogenität der Massnahmen- oder Impfgegner*innen anerkennen und versuchen, die unterschiedlichen Motive zu verstehen
Trotz hitziger Debatten und Schuldzuweisungen aus allen Lagern, ist sehr wenig bekannt über die Beweggründe hinter der Bewegung gegen die Impfung oder entsprechend weiteren Massnahmen. Wenn – wie wir annehmen – ganz unterschiedliche Motive hinter dem Widerstand stehen, so ist es essentiell, diese besser zu kennen. Wir müssen die Unsicherheiten und Ängste der Menschen, welche sich durch die Massnahmen hintergangen fühlen, verstehen, um das Fundament für einen Dialog zu legen. Eine Akteur*innen Analyse ist daher zentral für weitere Handlungsmöglichkeiten.
- Dialogräume schaffen
Um den Tendenzen der Polarisierung entgegenzutreten, braucht es einen respektvollen Austausch zwischen Menschen und Gruppen mit unterschiedlichen Meinungen. Um diesen Austausch zu unterstützen, müssen Dialogräume geschaffen werden, in denen die grundlegenden Differenzen im Kontext thematisiert werden. Dabei soll jedoch auch gezielt auf Gemeinsamkeiten in anderen Belangen hingedeutet werden. Nur mit einem vertieften Verständnis der Differenzen und Motive können solche Dialogräume geschaffen werden. Der Dialog sollte im kleinen sowie im grossen Rahmen stattfinden und dabei ist vor allem das Setting wichtig. Während der momentanen Abstimmungskultur ist beispielsweise die politische Debatte bereits stark aufgeladen und die Bereitschaft für Kompromisse ist auf beiden Seiten gering.
- Zur Überwindung der Polarisierung müssen wir auch bei uns selber ansetzen
Die Diskussion der Probleme, ein besseres Verständnis der involvierten Meinungen und Gruppen und ein Dialog zwischen verschiedenen Lagern sind wichtige Elemente. Diese brauchen jedoch Zeit und hängen von einer Vielzahl externer Faktoren ab. Die schnellste Veränderung können wir bei uns selbst erreichen. Dazu müssen wir uns ggf. auch eigene Ängste und Vorurteile eingestehen. Wenn die Pandemie tatsächlich als Katalysator dieser Ängste und Differenzen dient, so sollten wir uns umso stärker bemühen, diese zu erkennen und zu überwinden. Um das auch unserem Gegenüber zu erleichtern, braucht es unter anderem eine Deeskalation der eigenen Sprache – auch medial.
Die Stiftung Risiko-Dialog wird an diesen Thesen weiterarbeiten und sich in der Thematik engagieren. Wir freuen uns auf Inputs und Kooperationen, um gemeinsam zu einer respektvollen und zielführenden Dialogkultur beizutragen.