13. Oktober 2020

Die Stiftung Risiko-Dialog beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Krisen und berät darin Behörden und Private. Welche Thesen bewahrheiten sich in der aktuellen Pandemie für die Schweiz?

 

Unsere Studie fürs Bundesamt für Bevölkerungsschutz (2014) zeigt, dass Menschen, die nicht akut an Leib und Leben bedroht sind, in Krisen überwiegend ruhig, rational und hilfsbereit agieren. Ganz anders als das oft skizzierte Bild von Massenpanik, Gewalt und Plünderungen. Zusätzlich spielen stabilisierende Faktoren, wie die technische, politische, soziale, finanzielle und volkswirtschaftliche Situation eines Landes eine grosse Rolle. Hier hat die Schweiz eine gute Ausgangslage. Staatliche Sofortmassnahmen und die klare, regelmässige Kommunikation der Behörden v.a. während des Lockdowns haben zusätzlich die Bevölkerung unterstützt.

 

Nun ist die Pandemie im Gegensatz zu anderen Krisenfällen wie beispielsweise Naturkatastrophen anders gelagert: die zeitliche und örtliche Begrenzung fehlt. Sprich, wir wissen nicht wie lange, wie stark und in welchen Regionen die Coronakrise anhalten wird. Länder – und auch einzelnen Menschen – mit Erfahrung mit unsicheren Zeiten sind im Vorteil. Auch eine Tatsache, die wir aus der Risikoforschung kennen und etwas, was der Schweiz als krisenverschontes Land seit dem 20. Jahrhundert fehlt. Dazu machen sich zunehmend Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Wir sind immer wieder mit negativen und in diesem Fall auch unsicheren Meldungen konfrontiert, während positive Element des Alltagslebens eingeschränkt sind – wie bspw. soziale Kontakte.

 

 

Welche sind die zentralen Voraussetzungen, welche den Unterschied in der Krise ausmachen?

 

Die gesundheitliche Lage steht im Pandemiefall zuerst im Zentrum. So fragt sich wohl jede und jeder zuerst selbst, ob man zu einer Risikogruppe gehört oder nicht. Andere Auswirkungen einer Pandemie sind aber ebenso wichtig einzustufen. So sind neben der Gesundheit die psychische Verfassung bzw. die Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen, das vorhandene soziale Netzwerk, die persönliche wirtschaftliche Lage, zentrale Kriterien, wie man durch eine Krise kommt. Kurz rundum gefragt: Wie fühlst du Dich? Erfährst du Unterstützung durch Freunde und Familie? Kannst du dich finanzieren? Insbesondere bei der öffentlichen Kommunikation fällt auf, wie der Fokus auf die epidemiologische und ökonomische Situation gesetzt und die mentale Gesundheit im Sozialen und Psychischen kaum angesprochen wird.

 

Ein weiterer Aspekt für die Krisenresilienz ist die Eigenverantwortung des und der Einzelnen bspw. beim Händewaschen und Abstand halten. Wichtig ist hierbei die Unterstützung durch die öffentliche Hand u.a. mit ganz spezifischer und gleichzeitiger klarer Information: Wer soll sich genau testen lassen? Wann muss wer genau wie lange in die Quarantäne? Was ist wissenschaftlich bestätigt? Dabei gilt es aber auch darauf hinzuweisen, dass noch Vieles offen und unklar ist – beispielweise zu Übertragungswege. Krisenresilienz während einer Pandemie lässt sich durch eine konstruktive Kommunikation zwischen Behörden und Bevölkerung fördern, die auf Augenhöhe, transparent, offen und proaktiv geführt wird.

 

Das Kurzinterview in der Nachrichtenssendung SRF 10vor10 vom 09. Oktober 2020