20. März 2020

Nicht erst seit der heutigen Pressekonferenz (20.03.2020) des Bundesrates ist klar, dass das Verhalten der Bevölkerung eine zentrale Rolle in der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen spielt. Wie die Literaturstudie «Das Verhalten der Bevölkerung in Katastrophen und Notlagen» der Stiftung Risiko-Dialog aus dem Jahr 2014 zeigt, fehlen in der Schweiz jedoch empirischen Untersuchungen, um zusätzliche, detaillierte belastbare Aussagen zu erhalten. Sicher ist aber, dass die Bevölkerung nicht als homogene Gruppe angesehen werden kann. Risikowahrnehmung, Wissen, Vertrauen in zuständige Institutionen sowie individuelle Verarbeitungs- und Bewältigungsmechanismen steuern das Verhalten der Menschen und können sich stark unterscheiden. Zielgruppenspezifische Massnahmen und Kommunikation unterstützen daher ein adäquates Bewältigungsverhalten.

 

Aus der Studie geht weiter hervor, dass Massenpaniken, Gewalt und Plünderungen seltener vorkommen als angenommen. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass Menschen, die nicht akut an Leib und Leben bedroht sind, in Katastrophen überwiegend ruhig, rational und hilfsbereit agieren. Auch angesichts der momentane Notlage in der Schweiz haben sich noch keine Verhalten gezeigt, die auf Panik, Gewalt oder Plünderung hindeuten. Schon eher scheint in den letzten Tagen zu viel Gelassenheit vorhanden gewesen zu sein – sei es bei älteren oder jüngeren Menschen. Nicht alle wollten sich an die Empfehlungen des BAG halten.

 

Das bedeutet aber nicht, dass sowohl die Gefährdung durch das Virus, als auch der Stress durch die notwendigen Massnahmen die Menschen nicht trotzdem belasten. Für alleinerziehende Eltern oder selbstständig Erwerbende beispielsweise kann diese Pandemie aufgrund der ökonomischen Lage durchaus existenzielle Ängsten auslösen. Auch lassen Bilder von leergekauften Regalen in den Läden vermuten, dass die Menschen die neue Situation nicht ausschliesslich gelassen entgegennehmen. Warum sich die Menschen teilweise zu Hamsterkäufen verleiten lassen, erklärt der Sozialpsychologie Andy Yap in einem Interview. Das Coronavirus sei ein unsichtbarer Feind und löse bei den Menschen ein Gefühl der verlorenen Kontrolle aus. Um diesen wahrgenommenen Kontrollverlust zu kompensieren, werden unter anderem solche Hamsterkäufe getätigt. Vor allem funktionale Dinge wie Desinfektionsmittel oder Schutzmasken geben den Menschen das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle zurück. Er erklärt ausserdem, wie extrem wichtig es sei, in Zeiten der Angst gut und ausreichend informiert zu sein. Die Kompetenz, sich nicht von Fake News leiten zu lassen, sei momentan besonders zentral. Auch die Schweizer Behörden sind sich dessen bewusst und verweisen immer wieder auf die offiziellen Seiten wie der des Bundesamtes für Gesundheit BAG. Was im Fall von Panik und Angst für sich selbst oder nahestehenden Personen getan werden kann, hat zudem «die Republik» in einem Beitrag herausgearbeitet.

 

Mit der zunehmender Verbreitung der Infektionen scheinen aber auch Werte wie Solidarität plötzlich wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die Dankbarkeit gegenüber allen Menschen, die im Gesundheitswesen oder in der Grundversorgung einen riesigen Einsatz leisten, ist gross, wie man am Beispiel des schweizweiten einminütigen Applaus sehen kann. Zukunftsforscher erwarten bereits eine Rückbesinnung auf humanistische Werte und eine nachhaltige Entschleunigung. Die gesellschaftliche Resilienz könnte sogar wachsen. Solch positive Betrachtungen helfen in Zeiten, wo wir alle privat und beruflich sehr gefordert sind und wo kaum mehr etwas ist, wie es noch vor ein paar Tagen war – und wohl auch nicht so bald wieder sein wird.