In unseren Projekten zur gesellschaftlichen Resilienz sprechen wir häufig über Nachbarschaftshilfe oder die Kooperationsfähigkeit von lokalen Gemeinschaften – meist im Kontext der Schweiz. Doch was bedeutet Resilienz für Jugendliche in Kriegsgebieten, wo Bedrohung alltäglich ist und der Ausnahmezustand zur Lebensrealität gehört?
Neben ihrem Projektalltag hatte Kristina aus dem Risiko-Dialog-Team die Gelegenheit, im Rahmen ihrer Masterarbeit mit jugendlichen Zivilist:innen aus der Ukraine zu sprechen. Dieser Austausch fand zwar nicht mit spezifischem Fokus auf «Resilienz» statt – ermöglichte jedoch einen Einblick in die Lebensrealitäten von jungen Menschen im ukrainischen Kriegsgebiet, die unter anderem geprägt sind von
- der intensiven Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des eigenen Todes – und der anhaltenden Unsicherheit, ob es ein Morgen gibt;
- massiver psychischer Belastung, Angstzuständen und Erschöpfung;
- einer zunehmenden Hinwendung zu nihilistischen Denkweisen – als Ausdruck des zeitweiligen Verlusts an Hoffnung und Zukunftsperspektive.
Trotz der schwierigen Lebensumstände und der ständigen Gefahren, welchen diese jungen Menschen innerhalb der Kriegszone ausgesetzt sind, zeigte sich, dass diese Jugendlichen auf grundlegende Fähigkeiten und Haltungen zurückgreifen, wie sie auch uns im Kontext gesellschaftlicher Resilienz vertraut sind, indem sie beispielsweise
- aktiv nach Halt im sozialen Umfeld suchen (Gemeinschaftssinn);
- versuchen, über Aktivismus und politisches Engagement in (internationalen) Jugendorganisationen gegen das Ohnmachtsgefühl im Krieg anzukämpfen und an öffentlichen Diskussionen zum Wiederaufbau der Ukraine teilzunehmen;
- trotz starker Betroffenheit häufig selbst zu Helfer:innen werden – durch verschiedene Freiwilligenarbeit an oder abseits der Frontlinie;
- ihren Medienkonsum einschränken oder darauf verzichten– um ihre eigene Psyche zu schützen;
- immer wieder versuchen, Hoffnung und Humor zu bewahren.
In diesem Kontext wird deutlich, dass individuelle Ressourcen eine zentrale Rolle dabei spielen, wie Jugendliche mit den Belastungen des Kriegsalltags umgehen. Dabei fällt auf, dass diese Ressourcen keineswegs statisch sind, sondern stark zwischen einzelnen Personen variieren und sich im Zeitverlauf verändern können. Zugleich zeigen sich grundlegende Konzepte von Resilienz, wie wir sie etwa aus der Katastrophenforschung kennen, auch hier als tragfähig. Erste Hinweise mögen zudem darauf hindeuten, dass durchlebte und bewältigte Krisenerfahrungen – so schwierig sie auch sind – langfristig zur Stärkung individueller wie kollektiver Widerstandskraft beitragen können und als vorsichtiger Hinweis auf das Potenzial menschlicher Anpassungs- und Bewältigungsfähigkeit verweisen – ein Aspekt, dem auch erste Studien zunehmend Aufmerksamkeit widmen.
Anmerkung: Diese Inhalte beruhen auf subjektiven Eindrücken aus der Zusammenarbeit mit Jugendlichen in der ukrainischen Kriegszone im Frühjahr 2024. Sie spiegeln individuelle Perspektiven wider und sind nicht repräsentativ für alle Lebensrealitäten junger Menschen in Kriegsgebieten.