Im ersten Blogbeitrag im Rahmen der Resilienztage gingen wir auf die Fragen ein, was gesellschaftliche Resilienz ist und wie sie gestärkt werden kann. Bereits dort wurde darauf hingewiesen, dass Resilienz als sehr umfassendes Konzept zu verstehen ist, das in Kombination mit anderen Konzepten wie der Nachhaltigkeit zu sehen ist. Zudem gilt es, Resilienz auf der Ebene des Individuums, der Community sowie gesamtgesellschaftlich zu betrachten. Im Folgenden sollen die verschiedenen Akteur:innen und ihre Perspektiven auf das Thema in den Fokus gerückt werden. Ziel ist es, diese Vielfalt im Bereich Resilienz aufzuzeigen. Es sei darauf hingewiesen, dass der vorliegende Beitrag keinesfalls einen Anspruch auf Vollständigkeit oder systematische Analyse erhebt.
Abbildung 1. Übersicht der gesellschaftlichen Resilienz (Grafik von Risiko-Dialog).
Die obige Abbildung zeigt ausgewählte Akteur:innen, die gemeinsam Resilienz gestalten können. Während erstere wie staatliches Handeln oder Forschung im weiteren Sinne eher top-down fokussierte Logiken verfolgen, steht der Bottom-Up-Ansatz bei der Bevölkerung im Vordergrund. Die Wirtschaft lässt sich gewissermassen als eine Art Hybrid beider Logiken betrachten. Bei der Zusammenarbeit dieser Akteur:innen müssen diese unterschiedlichen Logiken berücksichtigt und die gegenseitigen Potenziale genutzt werden.
Da der Fokus unseres Wirkens auf gesellschaftlicher Resilienz liegt, werden andere zentrale Aspekte – wie beispielsweise die technische und organisationale Resilienz kritischer Infrastrukturen (etwa der Stromversorgung oder staatlicher Krisenmanagementprozesse) – in diesem Beitrag nicht weiter ausgeführt, obwohl auch sie zentrale Grundlagen der Resilienz darstellen. Im Sinne einer umfassenden Betrachtung fehlen hier beispielweise Elemente wie Resilienz in der Bildung, Gesundheitsweisen und Medien- resp. Demokratiesystem. Spannend wäre auch ein historischer Bezug zur Verankerung in der humanitären Hilfe (IRK) oder der Friedensförderung.
Staatliches Handeln
Sicherheit und im weiteren Sinne Resilienz sind seit jeher zentrale Aufgaben staatlichen Handelns. Angesichts zunehmender globaler und nationaler Herausforderungen – seien sie wirtschaftlicher, technologischer, klimatischer oder geopolitischer Natur – kommt der Resilienz eine wachsende Bedeutung zu. Der Staat ist gefordert, mit vorausschauenden Strategien auf ein breites Spektrum an Bedrohungen zu reagieren und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft systematisch zu stärken. Dabei lassen sich verschiedenen Blickwinkel beobachten, wobei hier nur exemplarisch auf einige Aspekte hingewiesen werden kann.
Etabliert ist Resilienz im sicherheitspolitischen Kontext, bei der Frage der Verteidigungsfähigkeit oder der Terrorismusabwehr. Hier zeigen sich deutliche Verschiebungen in den Prioritäten bspw. der Armee. Es geht dabei darum, Verwundbarkeiten zu reduzieren, die Sicherheit und Abwehrfähigkeiten zu stärken sowie die Souveränität zu bewahren. Mit Fokus auf das Katastrophenmanagement im Umgang mit Katastrophen und Notlagen besteht beispielsweise eine Nationale Risikoanalyse «Katastrophen und Notlagen Schweiz» (KNS) des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (BABS). Sie analysiert systematisch potenzielle Gefährdungen aus Natur, Technik und Gesellschaft, bewertet deren Auswirkungen und gewährt so eine Grundlage für die vorsorgliche Planung und Ereignisvorbereitung auf allen staatlichen Ebenen. Resilienz ist dabei ein tragender Pfeiler aktueller Planung –wie etwa im Forschungsplan 2025–2028 (BABS) ersichtlich. Dieser verankert Resilienz explizit als einen strategischen Schwerpunkt. Nicht zuletzt angesichts des Klimawandels rückt auch die Resilienz gegenüber klimabedingten Naturgefahren verstärkt in den Fokus. Auch wird in Berichten zu den «Fähigkeiten zur Bewältigung von klimabedingten Naturgefahren» die Wichtigkeit der Resilienz des Schweizer Bevölkerungsschutzes angesichts zunehmender klimabedingter und technologischer Gefährdungen sowie machtpolitischer Bedrohungen unterstrichen und strategische Handlungsfelder zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes identifiziert (vergleiche auch internationale Initiativen zur Disaster Reduction resp. des Sendai Frameworks). Zudem indizieren auch neue Studien im spezifischen Kontext der Schweiz, wie wichtig es ist, Risiken wie Trockenheit nicht mehr ausschliesslich als akute Ausnahmeereignisse zu betrachten. Technische Lösungen allein reichen nicht aus – gefragt ist ein Zusammenspiel von Wissen, politischem Willen und institutioneller Zusammenarbeit.
Dass die Schweiz auch einen Fokus auf eine starke Wirtschaft legt, zeigt sich beispielsweise im Beitritt der Schweiz an eine internationale Initiative, die beabsichtigt, die volkswirtschaftliche Resilienz zu erhöhen. Durch gezielte Kooperationen mit gleichgesinnten Handelspartner:innen sollen Lieferketten stabilisiert, wirtschaftliche Abhängigkeiten verringert und die Handlungsfähigkeit in Krisensituationen gewährleistet werden.
Dass alle diese thematisierten Aspekte zunehmend miteinander gedacht werden sollen, zeigen sowohl Grundlagen aus dem benachbarten Ausland als auch aktuelle Forderungen der nationalen Politik nach der Erstellung einer Strategie zur Stärkung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz in Bezug auf die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz. In diesem Kontext wird der Bundesrat beauftragt, eine Strategie mit konkreten Massnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz und Verteidigungsfähigkeit vorzulegen. Die Strategie soll spezifische Schritte zur Verbesserung der Sensibilisierung, Ausbildung, Infrastruktur und der interinstitutionellen Zusammenarbeit enthalten und gewährleisten, dass die Ressourcen langfristig an die Sicherheitsbedürfnisse der Schweiz angepasst werden.
Forschung
Resilienz ist ein interdisziplinär erforschtes Konzept mit Ursprüngen in verschiedenen Disziplinen, beispielsweise in den Ingenieurwissenschaften, der Psychologie und der Medizin. Wir fokussieren im Folgenden auf Forschungsarbeiten zu gesellschaftlicher Resilienz, welche in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. Dies gilt auch für die Verbindung von systemischen Risiken (siehe oben) und Resilienz (Liu & Renn, 2025). Im Bereich der Community Resilience beleuchten aktuelle Studien zentrale Dimensionen wie soziales, wirtschaftliches, physisches und gemeinschaftliches Kapital, wobei starke Netzwerke und Ortsverbundenheit häufig als Schlüsselfaktoren der Community Resilienz gelten (Güngör & Elburz, 2024). Community Resilienz beschreibt folglich die kollektiven und individuellen Fähigkeiten von Gemeinschaften, auf Krisen zu reagieren und sich diesen anzupassen. Diese Fähigkeiten sind jedoch von bestehenden sozialen, physischen und systemischen Bedingungen abhängig (Cox & Perry, 2011; Cutter et al., 2008 in Elkady et al., 2024;). Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass auch zivilgesellschaftliche Bottom-up-Initiativen positiv zur Resilienz der Gemeinschaft und zur urbanen Transformation beitragen (Kirby et al., 2024). In unserer durch die Swiss Re Foundation unterstützen Studie zeigte sich in dieser Hinsicht, dass selbstorganisierte Initiativen aus der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft für die soziale Widerstandsfähigkeit und ein nachhaltiges Krisenmanagement entscheidend sind. Dennoch liegt der Forschungsschwerpunkt im Thema bisher meist auf individueller Resilienz, während gemeinschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven in der Forschung zurzeit eher unterrepräsentiert sind (Schäfer et al., 2024). Im Kontext umfassender Krisen wie der globalen Erwärmung wird die gezielte Stärkung von Community Resilienz jedoch zunehmend als dringlich erkannt (Boston et al., 2024). Auch urbane Resilienz mit Fokus auf Resilienz von physischen Räumen und Städten gewinnt angesichts fortschreitender Urbanisierung und klimatischer Herausforderungen an Bedeutung – insbesondere in Hinblick auf Frühwarnsysteme, raumbezogene Integration und naturbasierte Lösungen zur Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung (Kapucu et al., 2024; Lowe et al., 2024; Wang et al., 2024). In diesem Kontext verfolgt auch das dreijährige RESILIAGE Horizon-Europe-Projekt das Ziel, gestützt auf lokales Kulturerbe nachhaltige und widerstandsfähige Gemeinschaften aufzubauen. Es reagiert so auf Krisen und Katastrophen, die das Leben, die Existenzgrundlagen und die Umwelt in Europa auf bisher unbekannte Weise beeinträchtigen. Des Weiteren ist Resilienz auch in weiteren EU-initiierten Analysen ein Thema, wie beispielsweise im 2020 Strategic Foresight Report, über welchen die Resilienz als neuer Kompass für die EU-Politik angekündigt und die Entwicklung von Prototypen von Resilienz-Dashboards thematisiert wurden – sowie im Projekt CORE (sCience and human factOr for Resilient sociEty). Auch die «Agora Städtische Krisenkompetenz» – ein gemeinsames Projekt der Stadt Zürich und des Zentrums für Krisenkompetenz (CCC) der Universität Zürich – versteht sich als Plattform für interdisziplinäre Dialoge zwischen Stadt, Universität und Zivilgesellschaft zu städtischen Krisen und Fragen der Krisenbewältigung.
Wirtschaft und Arbeitswelt
Traditionell wird Resilienz im wirtschaftlichen Kontext auf einer makroökonomischen Ebene der Volkswirtschaft verstanden. Darin wird beispielhaft auf starke Wirtschaftsakteur:innen resp. Sektoren, Diversität (gerade im Handel), Innovationsfähigkeiten, ausreichend Spielräume für die Unternehmen und stabile Rahmenbedingung verwiesen. Dazu wurden verschiedene Messungen entwickelt, wie bspw. der Resilience Index oder das europäische Resilience Dashboard , wobei volkswirtschaftliche Aspekte immer stärker in Kombination mit ökologischen, technologischen und sicherheitspolitischen Themen gesehen werden. Weiter gibt es verschieden ländervergleichende Studien, wie beispielsweise diejenige der OECD, die ökonomische Resilienz in den MENA-Regionen aufgreift; oder der Weltbank, die sich mit Ansätzen der Krisenvorbereitung im Kontext von Risiken durch extreme Wetterereignisse, Pandemien oder Konflikte beschäftigen. Zunehmend geraten auch regionalwirtschaftliche Aspekte in die öffentliche Diskussion. Der Artikel Dank Resilienz Krisen trotzen – regioS thematisiert beispielsweise, mit welchen Massnahmen und Projekten sich die Regionen auf künftige Schockereignisse und einschneidende Veränderungen besser vorbereiten können und inwiefern aus dem Ausland gelernt werden kann.
Ebenso zentral ist die Frage, wie einzelne Unternehmen resilient sein können. Diese organisationale Resilienz bezieht sich hierbei auf die Fähigkeit eines Unternehmens, auch in einem komplexen und dynamischen Umfeld den Wandel vorauszusehen, zu überleben und zu wachsen. Hier öffnet sich ein sehr umfassendes Feld, das in Kürze hier nicht dargestellt werden kann. Spezifisch interessieren sich auch Versicherungen für das Thema Resilienz; zum einen für sich selbst, aber auch für ihr Schadenmanagement, beispielsweise im Kontext von zunehmenden Naturkatastrophen oder durch Messungen des makroökonomischen Resilienzindexes im Versicherungsbereich, die zeigen, inwieweit Volkswirtschaften in der Lage sind, wirtschaftliche Schocks zu verkraften und sich davon zu erholen.
Bevölkerung und Zivilgesellschaft
Die Zivilgesellschaft hat ein grosses Potenzial für die gesellschaftliche Resilienz, das bis vor Kurzem wenig beachtet wurde. Die Bevölkerung wird immer weniger als «Problem» – beispielsweise im Kontext von Katastrophen – betrachtet, sondern zunehmend als Teil der Lösung. In unserer von der Swiss Re Foundation unterstützen Studie zeigte sich, dass selbstorganisierte Initiativen aus der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft für die soziale Widerstandsfähigkeit sowie für ein nachhaltiges Krisenmanagement von entscheidender Bedeutung sind. Solche Bottom-Up Initiativen zur Förderung einer resilienteren Gesellschaft sind breit vertreten, tauchen aber insbesondere unter Namen auf, die nicht immer direkt im Zusammenhang zum Resilienz-Begriff stehen – beispielsweise in Form von Aktivitäten in Gemeindezentren, Sport- und Jugendgruppen, der freiwilligen Feuerwehr oder weiteren Anlaufstellen. Diese Initiativen werden von verschiedenen Akteur:innen initiiert und beinhalten diverse Dimensionen. Sie können einmalig stattfinden – wie beispielsweise die Aktion von Jeune Chambre Internationale Lausanne, bei der Lebensmittel an Studierende in Not der Universität Lausanne verteilt wurden – aber auch dauerhaft zur Verknüpfung dienen, wie im Beispiel der App Karma Lama – bei der schweizweit Freiwilligenarbeit koordiniert wird. Auf lokaler Ebene zählen Sommer- und Quartierfeste ebenfalls als Form der Förderung von gemeinschaftlicher Resilienz – solche Feste bringen Nachbarschaften zusammen, fördern Austausch und damit auch den Zusammenhalt von Menschen, die in derselben Umgebung leben. Ebenfalls mit Bezug zur Zivilgesellschaft lanciert die Stadt Zürich im Herbst 2025 das erste Mal die Resilienz-Woche – ein Pilotprojekt, das in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteur:innen umgesetzt wird und sich an die Bevölkerung richtet. Diese findet in Gemeinschaftszentren statt und umfasst diverse Massnahmen, die beabsichtigen, die gesellschaftliche Resilienz zu stärken.
Fazit
Beim Betrachten des Resilienz-Begriffs wird schnell deutlich, dass der Begriff eine riesige Vielfältigkeit aufweist. In zahlreichen Disziplinen und von unterschiedlichsten Akteur:innen verwendet, beschreibt er im Kern stets die Fähigkeit, externe Störungen zu überstehen und dabei eine gewisse Stabilität zu bewahren. Klar wurde in den letzten Jahren, dass es nicht mehr nur darum geht, Krisen zu verhindern, sondern diese nachhaltig zu bewältigen und als gestärkte Gemeinschaft aus ihnen hervorzugehen. Dabei rücken die Resilienz der Bevölkerung und Bottom-up-Initiativen als Ergänzung zu etablierten Top-down-Ansätzen immer mehr in den Vordergrund. Gesellschaftliche Resilienz beruht dabei auf dem Zusammenspiel verschiedener Akteur:innen und Ebenen – mit teils unterschiedlichen Logiken und Perspektiven. Gerade deshalb gilt sie als besonders herausfordernd in der Umsetzung und ist zugleich noch wenig erforscht.
Auch das Webinar der Resilienztage behandelt das Thema «gesellschaftliche Resilienz» aus verschiedenen Blickwinkeln und soll Impulse für den weiteren Dialog zu diesem Thema bieten.