8. Juli 2022

Die Stiftung Risiko-Dialog hat zusammen mit der Universität Leipzig für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Online-Krisenkommunikation von Behörden und unabhängigen Expert:innen im Zuge der Covid-19-Pandemie analysiert. Es zeigte sich: bekannte reichweitengenerierende Faktoren gelten auch während einer Krise und soziale Medien werden intensiv für die Kommunikation genutzt – aber anders als zunächst gedacht. Hier kannst du den ganzen Bericht lesen.



Die Analyse bestätigte erstmals, was schon länger aus Forschung und Praxis für die Krisenkommunikation bekannt war: Transparenz zur Schaffung von Vertrauen, Fokussierung auf die Bedürfnisse der Zielgruppen und klare sowie zugängliche Sprache ohne zu starke Vereinfachung sind Erfolgsfaktoren. Dabei schafft die vorbereitende Risikokommunikation Vertrauen und ein tragfähiges Netzwerk, welche im Krisenfall für eine erfolgreiche Kommunikation und Krisenbewältigung essenziell sind.

Plötzlich zum Medienstar

Ebenso wenig überraschend war die zentrale Rolle des Internets und der sozialen Medien für die Krisenkommunikation. Sowohl Expert:innen als auch Behörden und Journalisten nutzten diese Kanäle intensiv. Gleichzeitig zeigt die Evaluation aber auch: klassische Medien waren während der Covid-19-Pandemie weiterhin von grosser Bedeutung. Die breite Bevölkerung informiert sich immer noch klassisch im Fernsehen und greift auf Beiträge der bekannten Zeitungen zurück. Diese Medien entschieden also darüber, wer als Expert:in gilt und dementsprechend Aufmerksamkeit erhält. So kam es zu selbstverstärkenden Effekten: weitere Journalisten befragten bereits interviewte Expert:innen, worauf deren Prominenz laufend zunahm. Zudem erhielten diese Expert:innen auch auf den sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit, indem Zeitungen ihre Beiträge da teilen und durch zunehmende Followerzahlen. Die bedeutende Rolle der sozialen Medien hing also von klassischen Kanälen und den selbstverstärkenden Effekten ab.

Durch diese Prominenzspirale werden Behördenangestellte auf einmal zu Expert:innen mit grosser Medienpräsenz. Mit der Expert:innenrolle und der medialen Aufmerksamkeit kommt es auch zu einer Personalisierung der Betroffenen. Behördliche Expert:innen berichteten in der Analyse, dass der Fokus auf die eigene Person auf die Dauer anstrengend wird. Organisationen müssen sich diesen Dynamiken bewusst sein und sollten ihre Mitarbeitenden frühzeitig darauf vorbereiten. Wen die Medien im Extremfall tatsächlich in den Fokus stellen, lässt sich allerdings nicht beeinflussen und bleibt offen.

Twitter bietet Reichweite

Übliche reichweitengenerierende Inhaltsmerkmale wie Provokation und Humor tangieren potenziell die Glaubwürdigkeit der Behörde. Nichtsdestotrotz ist die Reichweite für eine erfolgreiche Krisenkommunikation entscheidend. Behörden können deshalb durchaus auf die Social-Media-Reichweite von Expert:innen zurückgreifen, wobei diese Zusammenarbeit eher lose gestaltet sein soll, um die behördliche Unabhängigkeit zu erhalten.

Insbesondere Twitter war breit verbreitet und wurde häufig genutzt. Interessant ist dabei, dass die grosse Reichweite der Twitterposts hauptsächlich auf deren Integration in Nachrichtenbeiträgen zurückzuführen ist. Journalisten – und nicht die breite Bevölkerung –  bilden also das primäre Zielpublikum der Twitterkommunikation von Behörden und Expert:innen.

Mehr Resilienz, weniger Masterplan

Die Evaluation zeigt auch, dass Krisen und die Kommunikation weiterhin nur beschränkt planbar sind. Es bleibt zentral, dass Behörden wie auch Expert:innen in Krisenzeiten flexibel auf sich verändernde Interessen und Dynamiken reagieren können. Am Ende entscheidet nicht ein Masterplan, sondern die eigene Resilienz über den Erfolg der Krisenbewältigungsstrategie.





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